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Vinylboom als Jobmotor

Alle 25 Sekunden eine Platte. Die Pressmaschinen in Röbel produzieren 60.000 Scheiben am Tag.

Die Schallplatte erlebt seit 2008 ein märchenhaftes Comeback, mit Wachstumsraten von bis zu 50 Prozent im Jahr.

Doch vom Vinylboom leben nicht nur hippe Plattenläden in Detroit oder Berlin. Ein Presswerk in der ostdeutschen Klein-

stadt Röbel ist mittlerweile zum Jobmotor geworden.

In der engen Produktionshalle ist es stickig und laut. Die 30 mannshohen und zum Teil fast 60 Jahre alten Pressautoma-

ten stehen so gut wie niemals still. Beim größten Industriearbeitgeber in der strukturschwachen Region wird an sieben

Tagen die Woche im Vier-Schicht-System gearbeitet.

Der Rohling sieht aus wie ein Eishockeypuck

Wer seine Musik auf Vinyl pressen lassen möchte, braucht einen Rohling, eine Matrize, auf der die Musikdaten mit ei-

nem Stichel eingeritzt sind. Die sogenannten Stamper, zwei Metallplatten in der Größe der Schallplatte, werden als Vorla-

gen für die A- und B-Seite in die Pressmaschine eingebaut. 

Petra Funk: „Hier ist quasi die Musik drauf, die Daten, und dann wird dieses Plastikgranulat über diese Leitungen, die

Sie hier sehen, an die Maschinen geführt, wird in der Maschine zu so einem Kloß geformt. Sieht aus wie ein Eishockeypuck.

Petra Funk kennt die einzelnen Arbeitsschritte aus dem Effeff. Sie ist seit 1997 in der Firma. Schallplatten werden seit

1948 aus Polyvinylchlorid hergestellt. Die Rohstoffe für PVC werden zu über 40 Prozent aus Erdöl gewonnen, was den

Scheiben die schwarze Farbe verleiht. Um eine Vinylscheibe herzustellen, braucht man zwischen 150 und 180 Gramm

PVC-Granulat. Herstellung wie mit einem Waffeleisen. 

Funk: „Also, das Material ist erhitzt, wird zusammengepresst zu einem Kloß. Der hat dann eine Temperatur von 140 Grad,

ist also weich und verformbar. Der wird von hinten in die Maschine eingeführt. Von der Seite werden dann die Etiketten,

die ja auf der Platte sind, da wird der Kloß quasi dazwischen gelegt. Und dann fährt die Maschine zusammen“

„Man kann sich das vorstellen wie beim Waffeleisen. Der Teig kommt rein, die Presse wird zusammengepackt. Und

dann wird das Ganze auseinandergepresst.“ Und das bei der Temperatur von 140 Grad damit das verform-

bar ist. Es dauert ungefähr 25 Sekunden. Dann fährt die Presse wieder auseinander und die Schallplatte wird an der Seite

abgelegt. Und dann wird der Rand abgeschnitten, der so übersteht. Beim Waffeleisen haben Sie das ja auch. Da quillt

ein bisschen Teig über, das nimmt man dann weg. 

Seit 2010 volle Kapazitätsauslastung

Optimal Media, 1990 gegründet, ist eine Tochter der Hamburger Edel AG. Ende 1991 wurde der Produktionsbetrieb im

neu erschlossenen Gewerbegebiet im Mecklenburgischen Röbel aufgenommen. Mit einer 20 Mann starken Belegschaft

wurden zunächst ausschließlich CDs produziert. 1995 kam die Vinylproduktion dazu. Ein mutiger Schritt, denn damals

setzte eigentlich niemand mehr auf die alte Vinyltechnik. Doch seit 2008 verblüfft Vinyl von Jahr zu Jahr mit Steige-

rungsraten zwischen 30 und 50 Prozent. Inzwischen gibt es 700 Arbeitsplätze.

Peter Runge: „Was natürlich ein Traum ist in einem eigentlich totgeglaubten Medienbereich. So was noch mal zu erle-

ben.“

Peter Runge, ebenfalls seit 1997 in der Firma, ist für die Vinyl-Produktion verantwortlich. Von seinem Büro aus wirft er ei-

nen genüsslichen Blick auf das Fabrikgelände, das in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer größer geworden ist.

Runge: „Das ist jetzt so, dass wir seit 2010 immer bei voller Kapazitätsauslastung fahren. Wir haben zuerst mehr Schich-

ten aufgemacht. Dann waren die sieben Tage der Woche durch, mit Schichten. Dann haben wir neue Maschinen auf-

gestellt, eine neue Halle eingerichtet, für Vinyl. Immer war das, was wir dazu geschafft haben, wo wir dachten, also noch

mehr kann der Markt doch jetzt gar nicht verlangen, sofort wieder aufgebraucht.“

Der überraschende Vinyl-Boom der letzten Jahre stellt die wenigen weltweit noch produzierenden Hersteller vor ziem-

liche Probleme, denn seit 1984 werden keine neuen Schallplattenpressen mehr gebaut.

Runge: „Wenn wir so weiter pressen auf diesen alten Maschinen, dann werden die irgendwann ja auch mal hinfällig.

Denn irgendwann ist halt auch das Material verschlissen und dann brechen dann immer die Holme. Zum Glück sehr spät,

weil das ist alles schwere Technik und aus dem Vollen gefeilt, wie ich als Ingenieur immer sage. Aber irgendwann ermüdet

halt alles.“

Und selbst der Markt für gebrauchte Maschinen sei so gut wie leergefegt, erzählt Peter Runge. Zwar hat er noch Maschi-

nen aus dem ehemaligen DDR-Betrieb VEB Schallplatte, die nach der Wende in die Sowjetunion verkauft worden waren,

zurückholen können. Aber auch solche Coups verschaffen nur kleine Atempausen. Die nächste Erweiterung ist geplant

Die Mitarbeiter in der Fertigung haben alle Hände voll zu tun, die alten Maschinen, die während der Produktion immer

wieder ausfallen, schnell wieder flott zu kriegen. Techniker: „Wir kaufen die von überall: Italien, Spanien. Da,

wo die halt gerade stehen.“

Kann man in etwa sagen, wie alt die Maschine hier ist? Techniker: „Ich denke mal so, bei fuffzig, sechzig Jahre alt.

Viel Verschleißteile. Dadurch haben wir auch unsere Techniker, die rund um die Uhr da sind. Viele Sensoren gehen

kaputt. Wir haben auch Ventile, die kaputt gehen durch die Kühlung. Dieses ständige Erhitzen und Kühlen.“

Peter Runge plant für den Sommer die nächste Erweiterung. Auf der Suche nach den heißbegehrten Plattenpressen ist er

diesmal in Schweden fündig geworden. Auf Dauer können solche Glückstreffer aber keine Lösung sein, deswegen will

der Ingenieur zusammen mit einem Maschinenbauunternehmen bald eigene Apparate bauen.

David Sharp und Thomas Jaedicke