Neuer Revox-Plattenspieler

Revox baute 1954 seinen ersten Plattenspieler und stellte ca. 250 Stück davon her. Der Revox 60 war, typisch für diese Zeit, mit einem grossen AC-Motor und einem Reibradantrieb ausgerüstet. Die verschiedenen Geschwindigkeiten konnte man mit einer Art Gangschaltung einstellen. Es gab aber auch eine Version mit einem Einstellrad. Der Tonarm stammte von Ortofon und bestand aus Bakelit – damals der letzte Schrei. 1954 war der Anteil an Schellack-Platten noch sehr hoch und die hohe Geschwindigkeit von 78 Umdrehungen pro Minute oft benutzt. Dann baute Revox (und auch Studer) keine Plattenspieler mehr, bis 1970 der grosse Erfolg mit dem berühmten B 790 kam. Der Dreher glänzte vor allem mit einem motorgetriebenen Tangential-Arm und einem Direktantrieb. Warum Revox zwischen 1954 und 1970 in dieser für HiFi so entscheidenden Epoche eine «Plattenspielerpause» einlegte, hat wahrscheinlich mit einem Abkommen mit der Firma Thorens zu tun. Thorens arbeitete damals an einem Spulen-Tonbandgerät. Revox soll mit dem Verzicht auf eigene Plattenspieler verhindert haben, dass dieses Gerät auf den Markt kam.

 

 
Der erste Plattenspieler von Revox: der Revox 60 von 1954. Davon wurden ca. 250 Stück hergestellt und mit dem frühen Ortofon-Tonarm aus Bakelit ausgerüstet. Dann gab es bis 1970 keine Revox-Plattenspieler mehr.

 

Ende der 1960er-Jahre sah die Welt dann etwas anders aus. Thorens produzierte nun schon seit einiger Zeit in Deutschland. Revox entwickelte mit dem B 790 ihren legendären Plattenspieler, den man mitsamt seinen verschiedenen Nachfolgern heute noch in einigen HiFi-Haushalten (wieder)findet.

Der B790 von 1970: Schwenkbarer Motor-Tangentialarm (hier ohne Verkleidung). Er erkannte sogar den Anfang der Tracks automatisch.

Schon manche Traditionsmarke, ob noch bestehend oder in neuem Besitz, hat sich aus nachvollziehbaren Gründen wieder dem Plattenspieler zugewandt. Allerdings nicht immer überzeugend: Das Spektrum reicht vom billigen Aufkleben eines Labels auf ein zugekauftes Gerät bis hin zu sehr eigenständigen Lösungen Es gibt es heute viele Zulieferer, die Komponenten anbieten, auf die sie sich spezialisiert haben. Man findet zum Beispiel bei vielen Tonarmen exakt denselben Tonarm-Lift von ein und demselben Hersteller.

Auch der Studiomaster T700 Turntable von Revox besteht zum Teil aus solchen Komponenten. Entscheidend sind aber hier das Konzept und die Qualität als Ganzes. Diesbezüglich wurde ganze Arbeit geleistet Das Gerät fühlt sich irgendwie wirklich «Revox» an – so wie man die Marke kannte, damals, als sie in vielengehobenen Haushalt zum guten Ton gehörte.Die Zarge ist sehr solide und spiegelblank. Alles ist sorgfältig ausgeführt, vom Bronce-Tellerlager über den präzisen POM-Plattenteller bis hin zum exakt verarbeiteten Antriebs-Pully und dem langen Flachriemen.

 
Der Studiomaster T700 ist ein Komplettgerät inklusive MC-Tonabnehmer und mit einem integrierten und sehr hochwertigen MCPhonovorverstärker.Es gibt allerdings keine Möglichkeit, einen externen Phonovorverstärker zu nutzen. Das wird dem HiFi-Hobbyisten vielleicht weniger zusagen, dem ambitionierten Musikhörer, der kein neues Hobby ausüben will, aber schon. Die Lösung funktioniert nämlich:

Es gibt keine Brumm- oder Störgeräusche und man braucht auch keinMasse/Erdungskabel, sprich: keine Basteleien und Lösungsfindungen. Der serienmässig verbaute Ortofon Quintett Bronce ist der teuerste MC-Tonabnehmer der Quintet-Serie von Ortofon und kostet alleine schon knapp 600 Euro, wenn man ihn separat beschafft. Selbstverständlich kann man fast jeden MC-Tonabnehmer einsetzen, sofern dieser passend zum Tonarm ist. Der MC-Phonovorverstärker lässt sich in jedem Fall anpassen, mit vier Eingangsempfindlichkeiten und sechs Impedanzen plus Zwischenwerte.

Der Tonarm ist zwar recht konventionell, aber hochwertig mit einem sehr schönen Carbon-Armrohr versehen. Die feinen Signallitzen sind direkt mit dem Eingang des Phonovorverstärkers verlötet. Die drei absorbierenden und höhenverstellbaren Standfüsse sind ebenfalls gut verarbeitet. Und wenn man den Plattenspieler an den wunderbaren Sensortasten einschaltet, egal, ob 45 oder 33 Umdrehungen, dann startet er langsam und ohne irgendwelche seltsam anmutenden Geräusche, bis die Solldrehzahl erreicht ist. Die 45- oder 33-Anzeige hört dann auf zu blinken und man weiss, nun ist alles gut.

Dieses vorsichtige «Hochfahren» bewirkt eine möglichst geringe Abnutzung des Riemens und über lange Zeit viel weniger Gummi-Abrieb.. Diese Langsamkeit hat also nicht nur eine psychologisch entschleunigende Wirkung. Die Abdeckhaube passt sehr gut und sie ist auch sauber verarbeitet. Aber durch das Logo in die Mitte wirkt sie ein bisschen billig und man sieht ja das Revox-Logo ohnehin auf der Zarge, wo es wirklich sehr edel daherkommt.

Der Studiomaster T700 Turntable kostet ca. 3.150 Euro. Der Preis beinhaltet den Tonabnehmer (600 Euro) und den MC-Phonovorverstärker, für den man als separates Gerät vielleicht 450 Euro bis ca. 700 Euro CHF hinlegen müsste (mit Gehäuse, versteht sich). In diesem Kontext ist der Preis nicht übertrieben. Der neue Revox bringt auch alte Live-Aufnahmen zum Swingen. Das Timing stimmt und der Boden ist fest und wuchtig. Auch bei hohen Pegeln lässt sich der T700 nicht aus der Ruhe bringen. Die Zarge absorbiert Störschwingungen recht gut und man kann auch mal dranklopfen, ohne dass es gleich übertrieben aus den Lautsprechern poltert. Revox hat es beim Studiomaster T700 Turntable gut hinbekommen, die Tradition der Marke vollwertig in einen neuen Plattenspieler zu projizieren. Man hat weder Neuland betreten noch alte Konzepte revitalisiert. Man hat einfach Qualität in Bezug auf Klang, Optik, Verarbeitung und Bedienung geschaffen. Das ist sehr ehrlich und überzeugend.

Christian Wengeravguide.ch